Ostern – Auferstehung

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II Gott allein

Thomas sprach zu ihm: „Mein Herr und mein Gott“

1. Ich bete Dich mit Thomas an, o mein Gott; und wenn ich gleich ihm durch Unglauben gesündigt habe, so bete ich Dich um so mehr an. Ich bete Dich an. weil Du allein aller Anbetung würdig bist, und preise Dich, denn Du bist glorreicher in Deiner Demütigung, wenn die Menschen Dich schmähen und verachten, als wenn die Engel Dir huldigen. Deus meus et omnia – „Mein Gott und mein alles“, Dich zu eigen haben heißt alles besitzen, was ich haben kann. O mein ewiger Vater, gib mir Dich selbst! Ich dürfte nicht wagen, eine so große Bitte an Dich zu richten, ohne anmaßend zu er­scheinen, wenn Du nicht selbst mich dazu ermutigt hättest. Du hast mich so beten gelehrt, Du hast Dich in meine Natur gekleidet, bist mein Bruder gewor­den und gestorben wie andere Menschen, nur in viel größerer Bitterkeit, daß ich mich voll Vertrauen Dir nahen könne, statt in Furcht und Zittern von ferne meine Blicke zu Dir zu erheben. Du sprichst zu mir wie einst zu Thomas und forderst mich auf, an Dir festzuhalten? Mein Gott und mein alles, was kann ich für die ganze Ewigkeit Größeres aussprechen als das! Ich bin zufrieden und reich, überschwenglich reich, wenn ich Dich habe. Ohne Dich aber bin ich nichts – ich verdorre, ich sterbe ab und gehe zugrunde. Mein Herr und mein Gott, mein Gott und mein alles, gib mir Dich selbst und nichts anderes!

2. Thomas trat herzu und berührte Deine heiligen Wunden. Oh, wird je der Tag kommen, wo auch ich zugelassen werde, um die Zeichen unserer Erlösung zu küssen und zu betrachten? Welch ein Tag, wenn ich von Ungerechtigkeit und Sünde vollständig gereinigt bin und gewürdigt werde, mich meinem menschgewor­denen Gott in seinem erhabenen Palast ewigen Lich­tes zu nahen! Welch ein Morgen, wenn alle Leiden des Fegfeuers überstanden sind und ich Dich zum er­sten Male mit eigenen Augen schaue. Dich von Ange­sicht zu Angesicht sehe, Deine Augen und Deinen gnadenreichen Mund ohne Zagen betrachte und dann voll Freude mich niederwerfe, um Deine Füße zu küs­sen und in Deinen Armen zu ruhen! O meine einzige wahre Liebe, Du einziger Liebhaber meiner Seele, Dich will ich jetzt lieben, daß ich einstens Dich lieben kann. Welch ein Tag, welch langer Tag ohne Abend, der Tag der Ewigkeit, wenn ich so ganz anders sein werde als jetzt, wo ich einen sterblichen Leib in mir fühle, verwirrt und abgelenkt werde durch tausend Gedanken, die mir alle den Himmel rauben wollen! O mein Gott und Herr, was wird das für ein Tag sein, wenn alle Sünden von mir genommen sind, lässliche und schwere, wenn ich vollkommen und rein und wohl­gefällig vor Dir stehe und imstande bin, Deine Ge­genwart zu ertragen, ohne vor Deinen Augen zurück­zuschrecken, ohne vor den reinen Blicken der Engel und Erzengel zu zittern, wenn ich in ihrer Mitte stehe und sie rings um mich!

3. O mein Gott, obwohl ich nicht würdig bin. Dich zu sehen oder mich Dir zu nahen, so will ich doch wenig­stens Dein Reich suchen und nach dem verlangen, was mir in seiner Fülle noch versagt ist. O mein Heiland und Erlöser, Du sollst mein einziger Gott sein! – Ich will keinen Herrn haben außer Dir. Ich will zerschla­gen alle Götzenbilder in meinem Herzen, die Dich verdrängen wollen. Ich will nichts mein nennen als Jesus, den Gekreuzigten. Mein Leben soll sein, Dich anzubeten, mich selbst Dir darzubringen. Dich zu be­trachten. Dir in Deinem hochheiligen Opfer zu huldi­gen und in der heiligen Kommunion mich Dir hinzu­geben.

III Jesu Nachsicht

Videle manus meas…. Habetis aliquid quod manducetur?
Seht meine Hände … Habt ihr etwas zu essen da?

1. Ich bete Dich an, o Herr, in Deiner wunderbaren Geduld, in Deiner mildreichen und liebevollen Herab­lassung. Deine Jünger verloren trotz all Deiner Leh­ren und Wunder den Glauben an Dich und (lohen, als sie Dich in den Tod gehen sahen. Auch nach Deinem Begräbnis blieben sie mutlos und dachten nicht an Deine Verheißung, daß Du am dritten Tage auferste­hen werdest Sie glaubten Magdalena und den ande­ren Frauen nicht, welche die Botschaft brachten, daß sie Dich wieder lebend gesehen hätten. Doch Du bist ihnen erschienen, hast ihnen Deine Wundmale gezeigt -hast Dich von ihnen berühren lassen – hast vor ihren Augen gegessen und ihnen Deinen Frieden gegeben. O Jesus, gibt es ein Hindernis, das für Deine Liebe zu groß wäre? Kann die Zahl der Sünden und Rückfälle die Treue und Ausdauer Deiner Milde und Güte er­schöpfen? Du verzeihst nicht bloß siebenmal, sondern siebenzigmal siebenmal. Wasserströme können eine Liebe gleich der Deinen nicht auslöschen. Und so er­geht Dein Erbarmen über die ganze Welt, bis zum Ende der Zeit. Du verzeihst und verschonst, übst Ge­duld und wartest, obwohl Dich die Sünder stets aufs neue herausfordern; Du erbarmst Dich ihrer und bist eingedenk ihrer Unwissenheit; Du suchst alle Men­schen, sogar Deine Feinde, mit der milden Güte Dei­ner Gnade heim, Tag für Tag und Jahr um Jahr, bis zur Stunde ihres Todes – denn Er weiß, woraus wir erschaffen sind, Er weiß, daß wir nur Staub sind. x. Mein Gott, was hast Du alles für mich getan! Die Menschen sagen. Deine Gerichte, o mein einziger Gott, seien strenge und Deine Strafen allzu hart. Ich aber muß gestehen, daß meine Erfahrung mich eines ande­ren belehrt. Mögen andere für sich selbst sprechen: Dein Arm erreicht auch sie und bezwingt sie zu ihrer eigenen Bestürzung am Tage des Gerichtes. Mit ihnen habe ich nichts gemein – Du wirst sie zur Rechenschaft ziehen. Mir aber wurden unaufhörlich Deine Wohl­taten zuteil; ich bezeuge hier aus voller Erkenntnis und aus ganzem Herzen, daß Du an mir stets Deine Nach­sicht und Erbarmung bewiesen hast. Wie hast Du ver­gessen, daß ich mich immer aufs neue gegen Dich auf­lehnte! Wieder und wieder hast Du mir geholfen. Ich falle, doch Du verstoßest mich nicht. Trotz all meiner Sünden liebst und tröstest Du mich. Du sorgst für mich, schenkst mir Deinen Segen, hältst und förderst mich. Ich mißbrauche Deine Gnaden, und Du gibst mir neue. Ich beleidige Dich, und Du zürnst mir nie, sondern bist so gütig gegen mich, als ob ich nichts zu beweinen, zu bereuen und gutzumachen hätte – als ob ich Dein bester, getreuester. standhaftester und hin­gebendster Freund wäre. Ach, ich werde sogar ver­sucht, auf Deine Liebe zu pochen, so nahe kommt sie der Sorglosigkeit und Nachsicht, während ich Dich doch fürchten sollte. Ich bekenne, o mein geliebter Er­löser, jeder Tag ist ein neuer Beweis Deiner uner­müdlichen und unüberwindlichen Liebe.

3. O mein Gott, ertrage mich noch – habe Geduld mit mir trotz meines Eigensinns, meiner Verkehrtheit und Undankbarkeit! Ich schreite nur langsam vorwärts, aber ich suche den Himmel oder verlange es wenig­stens. Ich habe Dich vor Augen, so schuldbeladen ich auch sein mag, und bin allen Ernstes auf das Heil mei­ner Seele bedacht. Gib mir Zeit, meine Gedanken zu sammeln, um einen guten Kampf zu kämpfen! Ich nehme mir fest vor, alle Nachlässigkeit und Lauheit zu fliehen – ich will alle Bosheit, alle Unzufriedenheit und Verzagtheit abschütteln – will mich aufraffen, hei­ter sein und in Deinem Lichte wandeln. Ich will keine Hoffnung und keine Freude haben außer Dir. Nur Deine Gnade gib mir – hilf mir mit Deiner Gnade – ich will mit Deiner Gnade alles tun, was ich kann -und Du wirst es für mich vollenden! Dann werde ich einst glücklich sein in Deiner Gegenwart, im Anblick und in der Anbetung Deiner heiligen fünf Wunden.

John Henry Newman, Betrachtungen und Gebete, p. 166-171.