Trübsinn ist keine christliche Haltung; eine Reue, die keine Liebe in sich hat, ist nicht echt; eine Selbstkasteiung, die nicht durch Glaube und Freude versüßt ist, kann Gott nicht wohlgefällig sein. Wir müssen im Sonnenschein leben, auch wenn wir trauern; wir müssen in Gottes Gegenwart leben, wir dürfen uns nicht in unser Herz verschließen, auch wenn wir über unsere vergangenen Sünden Abrechnung halten.
Diese Gedanken sind am Platz, wenn wir die vierzigtägige Fastenzeit sozusagen erstmals ins Blickfeld bekommen. Wenn Gott uns dann die Gnade der Reue gibt, ist es gut; wenn er uns befähigt, Herz und Leib in Zucht zu nehmen, gebührt ihm Lob; gerade aus diesem Grund dürfen wir indessen nicht aufhören, uns in ihm zu freuen. Die ganze Fastenzeit hindurch müssen wir uns freuen, während wir Buße tun. Obwohl „viele berufen sind, wenige aber auserwählt“ (Mt 20, 16); obwohl alle in der Rennbahn laufen, aber „nur einer den Preis erhält“; obwohl wir „so laufen müssen, daß wir ihn erlangen“; obwohl wir „in allem Maß halten“ und „unseren Leib züchtigen und ihn in die Dienstbarkeit bringen müssen, damit wir nicht verworfen werden“ (1 Kor 9, 24.25.27), können wir diese Dinge doch nur mit Gottes Hilfe tun; und solange er mit uns ist, können wir nicht anders als uns freuen; denn nur seine Abwesenheit ist ein Grund zur Trauer. Die drei Jünglinge standen hoch aufgerichtet, wie es heißt, inmitten der Flammen und riefen alle Werke Gottes auf, sich mit ihnen zu freuen: Sonne und Mond, die Sterne des Himmels, Nächte und Tage, Hagel und Tau, Frost und Kälte, Blitze und Wolken, Berge und Hügel, das Grün der Erde, Seen und Fluten, die Vögel in der Luft, die wilden und zahmen Tiere und die Menschenkinder – zu preisen und zu benedeien.
Aus: Deutsche Predigten V, s 306