Jesu Nachsicht

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Videte manus meas . . . Habetis aliquid quod manduceturf

Seht meine Hände . . . Habt ihr etwas zu essen da?

1. Ich bete Dich an, o Herr, in Deiner wunderbaren Geduld, in Deiner mildreichen und liebevollen Herab­lassung. Deine Jünger verloren trotz all Deiner Leh­ren und Wunder den Glauben an Dich und flohen, als sie Dich in den Tod gehen sahen. Auch nach Deinem Begräbnis blieben sie mutlos und dachten nicht an Deine Verheißung, daß Du am dritten Tage auferste­hen werdest Sie glaubten Magdalena und den ande­ren Frauen nicht, welche die Botschaft brachten, daß sie Dich wieder lebend gesehen hätten. Doch Du bist ihnen erschienen, hast ihnen Deine Wundmale gezeigt -hast Dich von ihnen berühren lassen – hast vor ihren Augen gegessen und ihnen Deinen Frieden gegeben. O Jesus, gibt es ein Hindernis, das für Deine Liebe zu groß wäre? Kann die Zahl der Sünden und Rückfälle die Treue und Ausdauer Deiner Milde und Güte er­schöpfen? Du verzeihst nicht bloß siebenmal, sondern siebenzigmal siebenmal. Wasserströme können eine Liebe gleich der Deinen nicht auslöschen. Und so er­geht Dein Erbarmen über die ganze Welt, bis zum Ende der Zeit, Du verzeihst und verschonst, übst Ge­duld und wartest, obwohl Dich die Sünder stets aufs neue herausfordern; Du erbarmst Dich ihrer und bist eingedenk ihrer Unwissenheit; Du suchst alle Men­schen, sogar Deine Feinde, mit der milden Güte Dei­ner Gnade heim, Tag für Tag und Jahr um Jahr, bis zur Stunde ihres Todes – denn Er weiß, woraus wir erschaffen sind, Er weiß, daß wir nur Staub sind.

2. Mein Gott, was hast Du alles für mich getan! Die Menschen sagen, Deine Gerichte, o mein einziger Gott, seien strenge und Deine Strafen allzu hart. Ich aber muß gestehen, daß meine Erfahrung mich eines ande­ren belehrt. Mögen andere für sich selbst sprechen; Dein Arm erreicht auch sie und bezwingt sie zu ihrer eigenen Bestürzung am Tage des Gerichtes. Mit ihnen habe ich nichts gemein – Du wirst sie zur Rechenschaft ziehen. Mir aber wurden unaufhörlich Deine Wohl­taten zuteil; ich bezeuge hier aus voller Erkenntnis und aus ganzem Herzen, daß Du an mir stets Deine Nach­sicht und Erbarmung bewiesen hast. Wie hast Du ver­gessen, daß ich mich immer aufs neue gegen Dich auf­lehnte! Wieder und wieder hast Du mir geholfen. Ich falle, doch Du verstoßest mich nicht. Trotz all meiner Sünden liebst und tröstest Du mich, Du sorgst für mich, schenkst mir Deinen Segen, hältst und förderst mich. Ich mißbrauche Deine Gnaden, und Du gibst mir neue. Ich beleidige Dich, und Du zürnst mir nie, sondern bist so gütig gegen mich, als ob ich nichts zu beweinen, zu bereuen und gutzumachen hätte – als ob ich Dein bester, getreuester, standhaftester und hin­gebendster Freund wäre. Ach, ich werde sogar ver­sucht, auf Deine Liebe zu pochen, so nahe kommt sie der Sorglosigkeit und  Nachsicht,  während ich Dich doch fürchten sollte. Ich bekenne, o mein geliebter Er­löser, jeder Tag ist ein neuer Beweis Deiner uner­müdlichen und unüberwindlichen Liebe.

3. O mein Gott, ertrage mich noch – habe Geduld mit mir trotz meines Eigensinns, meiner Verkehrtheit und Undankbarkeit! Ich schreite nur langsam vorwärts, aber ich suche den Himmel oder verlange es wenig­stens. Ich habe Dich vor Augen, so schuldbeladen ich auch sein mag, und bin allen Ernstes auf das Heil mei­ner Seele bedacht. Gib mir Zeit, meine Gedanken zu sammeln, um einen guten Kampf zu kämpfen! Ich nehme mir fest vor, alle Nachlässigkeit und Lauheit zu fliehen – ich will alle Bosheit, alle Unzufriedenheit und Verzagtheit abschütteln – will mich aufraffen, hei­ter sein und in Deinem Lichte wandeln. Ich will keine Hoffnung und keine Freude haben außer Dir. Nur Deine Gnade gib mir – hilf mir mit Deiner Gnade -ich will mit Deiner Gnade alles tun, was ich kann -und Du wirst es für mich vollenden! Dann werde ich einst glücklich sein in Deiner Gegenwart, im Anblick und in der Anbetung Deiner heiligen fünf Wunden.

Teil III, Betrachtungen über die christliche Lehre aus: Betrachtungen und Gebete, Im Kösel Verlag 1952, s. 269-171.