„Ihr seid meine Zeugen…“. Gedanken zum Pfingstfest

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Der Einfluß der Welt in ihrer Eigenschaft als Feindin der Seele besteht in ihrer Macht über unsere Phantasie. Es scheint uns unglaublich, daß etwas falsch sein könnte, was uns immer und überall gesagt wird. Aber unser Glaube er­weist sich gerade darin, daß wir das Zeugnis unseres Her­zens und der Schrift den Erklärungen der Welt vorziehen; und unser Gehorsam erweist sich darin, daß wir ihnen ent­gegen handeln. Die Aufgabe des Christen besteht gerade in einer Gegenbewegung gegen die Welt und im Protest gegen ihre Stimmenmehrheit.

8. Oxforder Universitätspredigt in: Zur Philosophie und Theologie des Glaubens:, Matthias-Gründewald-Verlag, Mainz 1964, 115.

Echte Christen spüren jene erstickenden Dämpfe, in denen die meisten sich wohlfühlen; und obwohl sie dem Bösen nicht bis zu seinen eigentlichen Quellen im Einzelnen nach hier oder dort in der Kirche seinen Ursprung hat. So sind die wenigen Gläubigen in ihrem Bereich, sei er hoch oder nieder, Zeugen; sie sind durch ihr Leben und ihre feierli­chen Aussagen Zeugen für Gott und Christus, ohne andere zu richten oder sich selbst zu erheben. Sie sind Zeugen in verschiedenem Grad, vor verschiedenen Menschen, stärker oder schwächer, je nach dem Bedürfnis des einzelnen – sie unterscheiden sich von der Menge auf verschiedene Weise, je nachdem einer aus jener Menge, vor dem sie Zeugnis ablegen, besser oder schlechter ist, und je nachdem sie selbst, mehr oder weniger in der Wahrheit vorangeschritten sind; im ganzen jedoch sind sie Zeugen so wie das Licht, das durch Kontrast gegen die Finsternis zeugt. Sie geben Gutes und erhalten Böses zurück; sie ernten die Verach­tung, den Spott und den Widerstand der Welt, vermischt zwar mit etwas Lob und Ehrfurcht, Ehrfurcht, die nicht lan­ge anhält, sondern bald in Furcht und Haß übergeht. Daher brauchen religiöse Menschen einen gewissen Trost, der sie stützt, den aber auf den ersten Blick die sichtbare Kirche nicht zu gewähren scheint, da das Übermaß der Weltlich­keit sie erschreckt.

Aus: Die sichtbare Kirche, eine Ermutigung für den Glauben, Deutsche Predigten, Bd III, 266

So sollte das Herz eines jeden Christen die katholische Kir­che in Miniatur (im Kleinen) darstellen, weil ein und der­selbe Geist die ganze Kirche und jedes ihrer Glieder zu sei­nem Tempel macht. Wie er die Kirche eint, die sich selbst überlassen, in viele Parteien zerfiele, so eint er auch die Seelen, trotz ihrer vielfaltigen Neigungen und Fähigkeiten und ihrer widersprüchlichen Ziele.

Wie er der Vielzahl der Völker Frieden schenkt, die doch von Natur aus nicht in Einklang miteinander leben, so gibt er der Seele eine geordnete Leitung und stellt Verstand und Gewissen als Herren über die niederen Teile unserer Natur auf.

Wie er jeden Stand und jedes Bestreben in der Gemein­schaft mit der Lehre Christi durchsäuert, so durchdringt dieser himmlische Sauerteig auch jeden Gedanken des Gei­stes, jedes Glied des Leibes, bis das Ganze geheiligt ist. Und wir wollen dessen ganz sicher sein, daß diese zwei Wirkweisen unseres göttlichen Trösters einander bedingen: Suchen die Christen nicht nach der inneren Einheit und dem Frieden in ihrer eigenen Brust, dann wird auch die Kirche selbst nie in Einheit und Frieden in der Welt leben… Zerstöre die Einheit an einer einzigen Stelle und der Feh­ler läuft durch das Ganze hindurch.

Aus: Zusammenhang zwischen persönlichem und allegmeinem Fortschritt, Deutsche Predigten, Bd IX, 154,

Wenn wir nun von den Wohltaten der Prüfung und des Leidens reden, sollten wir natürlich nie vergessen, daß diese Dinge aus sich keine Kraft haben, uns heiliger oder himmlischer zu machen. Sie machen sogar viele Menschen verdrossen, selbstsüchtig und neidisch. Das einzige Mitgefühl, das sie in manchen hervorrufen, besteht in dem Wunsch, die anderen möchten mit ihnen leiden, nicht sie mit den anderen. Wenn die Liebe fehlt, veranlaßt die Drangsal den Menschen, anderen das nämliche zu wünschen; sie macht ihn mürrisch, scheelsüchtig, gehässig und schadenfroh.

Alle Bedrängnisse des Fleisches, die das Evangelium auferlegt und die Paulus übte, Nachtwachen und Fasten, Unterwerfung des Leibes haben auf keine Weise an sich die Kraft, die Menschen zu bessern; sie haben die Menschen oft schlechter gemacht; sie haben oft die Menschen (dem Augenschein nach) gerade so gelassen, wie sie vorher waren. Sie sind an sich kein sicherer Prüfstein der Heiligkeit und des wahren Glaubens. Es mag einer sehr streng leben und gerade durch diese Strenge so weit kommen, daß er gegen andere grausam wird statt zartfühlend. Anderseits mag einer (was selten scheint), in seinen persönlichen Gewohnheiten streng sein, und doch in seinem Verhalten ein Zauderer und Feigling. … man sollte sich immer dessen bewußt sein, daß das strengste und abgetöteste Leben genau so wenig ein Passierschein für den Himmel oder ein Merkmal der Heiligkeit ist wie Wohlwollen, Zuvorkommenheit oder Liebenswürdigkeit. Selbstbeherrschung ist eine notwendige Voraussetzung, aber kein sicheres Zeichen der Heiligkeit. Sie kann den Menschen weltlich lassen oder ihn zum Tyrannen machen. Nur in den Händen Gottes ist sie Gottes Werkzeug. Sie dient göttlichen Zielen nur, wenn Gott sich ihrer bedient. Nur dann, wenn die Gnade im Herzen ist, wenn die Kraft von oben in einem Menschen wohnt, gereicht alles Äußere oder Innere zu seinem Heil. Verfolgung, Hunger oder Schwert führen die Seele genau so wenig zu Christus, wie sie diese von Ihm trennen. Er allein kann wirken und Er kann durch alle Dinge wirken.

Ich möchte es als allgemeine Regel bezeichnen, daß die Kirche selbst immer von der Welt gehaßt und geschmäht wird, weil sie kraft ihres Amtes dazu verpflichtet ist, ein kühnes Bekenntnis abzulegen.

Aus: Bekenntnis ohne Schaustellung, Deutsche Predigten, Bd I, 12