4. Predigt vom 12. Juni 1823
Wer wird gewahr all seiner Verfehlungen? Mach mich rein von verborgenen Fehlern“ (Ps 18,13).
So seltsam es erscheinen mag, viele der sogenannten Christen gehen durch das Leben, ohne sich um eine rechte Selbsterkenntnis zu bemühen. Sie begnügen sich mit allgemeinen und trüben Vorstellungen von ihrem wahren Zustand. Darüber hinaus haben sie nur jenen gelegentlichen Einblick in ihr Inneres, den die Ereignisse des Lebens ihnen aufdrängen. Aber es fehlt ihnen die genaue, systematische Erkenntnis, und sie streben auch nicht danach.
Wenn ich das „seltsam“ nenne, so möchte ich damit nicht sagen, es sei leicht, uns selbst zu erkennen. Es ist schwer, uns selbst auch nur teilweise zu erkennen, und insofern hat die Unkenntnis unseres Selbst nichts Seltsames. Das Befremdende ist nur, daß die Menschen vorgeben, die großen christlichen Wahrheiten anzunehmen und auszuführen, und doch in einer solchen Unkenntnis über sich selbst sind.