Geistliche Gesinnung

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6. Predigt vom 25. Dezember 1831

„Das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft“ (1 Kor 4,20).

Was nützt es uns, daß wir Glieder der christlichen Kirche sind? Dies ist eine Frage, welche immer unsere Aufmerksamkeit beansprucht, doch ist es recht, daß wir von Zeit zu Zeit unser Herz mit mehr als gewöhnlicher Sorgfalt durchforschen und es prüfen am Maßstab jenes göttlich erleuchteten Ordnungsprinzips in der Kirche und in den Heiligen: dem Werk des Heiligen Geistes, das vom heiligen Paulus „der Geist“ genannt wird. So frage ich also, was nützt es uns, daß wir Jünger Christi sind? Was veranlaßt uns zu dem Gedanken, daß unser Leben sich sehr unterscheidet von einem Zustand, in dem es sich befunden hätte, wären wir noch Heiden gewesen? Haben wir nach den Worten des Vorspruches das Reich Gottes im Wort empfangen oder in Kraft? Ich will zur Erläuterung dieser Frage einige Äußerungen tun, die mit Gottes Gnade euch, meine Brüder, helfen können, sie zu beantworten.

Selbstverleugnung, der Prüfstein religiösen Ernstes

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5. Predigt vom 22. Dezember 1833

„Nun ist es hohe Zeit, vom Schlafe aufzuwachen« (Röm 13, 11).

Wenn Paulus an dieser Stelle von „Schlaf spricht, so meint er einen Zustand der Unempfindlichkeit gegenüber den Dingen, wie sie tatsächlich in Gottes Augen sind. Schlafen wir, so sind wir dem Getriebe dieser Welt entzogen, als ob wir mit ihr nichts mehr zu tun hätten. Es geht ohne uns weiter; oder, selbst wenn unser Schlaf unterbrochen wird und wir eine schwache Vorstellung von Menschen und Vorgängen beibehalten, wenn uns ein Laut oder ein Satz zu Ohren kommt oder wir ein Gesicht sehen, dann sind wir trotzdem nicht fähig, die Außenwelt in ihrer wahren Wirklichkeit aufzunehmen.

Verborgene Fehler

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4. Predigt vom 12. Juni 1823

Wer wird gewahr all seiner Verfehlungen? Mach mich rein von verborgenen Fehlern“ (Ps 18,13).

So seltsam es erscheinen mag, viele der sogenannten Christen gehen durch das Leben, ohne sich um eine rechte Selbsterkenntnis zu bemühen. Sie begnügen sich mit allgemeinen und trüben Vorstellungen von ihrem wahren Zustand. Darüber hinaus haben sie nur jenen gelegentlichen Einblick in ihr Inneres, den die Ereignisse des Lebens ihnen aufdrängen. Aber es fehlt ihnen die genaue, systematische Erkenntnis, und sie streben auch nicht danach.

Wenn ich das „seltsam“ nenne, so möchte ich damit nicht sagen, es sei leicht, uns selbst zu erkennen. Es ist schwer, uns selbst auch nur teilweise zu erkennen, und insofern hat die Unkenntnis unseres Selbst nichts Seltsames. Das Befremdende ist nur, daß die Menschen vorgeben, die großen christlichen Wahrheiten anzunehmen und auszuführen, und doch in einer solchen Unkenntnis über sich selbst sind.

Erkenntnis des göttlichen Willens ohne Gehorsam

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3. Predigt vom 2. September 1832

Wenn ihr das wisset, so seid ihr selig, wenn ihr danach tuet“ (Jo 13,17).

Auf kein Volk und kein Zeitalter der Vergangenheit läßt sich dieses Schriftwort besser anwenden als auf dieses unser Land in heutiger Zeit. Denn so weit wir zu urteilen vermögen, hatte bislang kein Volk eine bessere Kenntnis von der Art, Gott zu dienen, von unserer Pflicht, unseren Vorrechten und unserem Lohn, als wir. Uns vor allem gilt also das Wort des Heilandes: „Wenn ihr das wisset, so seid ihr selig, wenn ihr danach tuet.“ Sicher denken nun viele von uns: das wissen wir sehr wohl. Scheinbar ist es eine Binsenwahrheit, daß es nichts bedeutet, zu wissen, was recht ist, wenn wir es nicht tun; eine Wahrheit zu altbekannt, als daß man Neues darüber sagen könnte. Über derlei Stellen der Schrift lesen wir leicht hinweg, da wir sie widerspruchslos annehmen; und so gelingt es uns, sie praktisch zu vergessen. Wissen ist nichts im Vergleich zum Tun.

Unsterblichkeit der Seele

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2. Predigt am 21. Juli 1833

„Was kann ein Mensch zum Tausch für seine Seele geben“ (Mt 16, 26).

Es gibt meines Erachtens keinen auch nur halbwegs unterrichteten Christen, der den Unterschied zwischen unserer Religion und dem durch sie verdrängten Heidentum nicht genau zu kennen glaubte. Auf die Frage, was wir durch das Evangelium gewonnen haben, weiß jeder unmittelbar Bescheid: nämlich das Wissen um unsere Unsterblichkeit, um den Besitz einer Seele, die ewig fortbesteht; ferner, daß

Weihnachten – Das Geheimnis der Vergöttlichung

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„ Das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen (Joh 1,5). Nach dem Urteil der Menge war er wie jeder andere Mensch. Obgleich empfangen vom Heiligen Geist, wurde er von einer armen Frau geboren, die ob der Überzahl der Fremden abgewiesen wurde und ihn in einem Stall zur Welt brachte. O wunderbares Geheimnis, frühzeitig offenbart, dass er selbst bei der Geburt den Willkommensgruß der Welt zurückwies! Er wuchs auf als der Sohn eines Zimmermanns, ohne Bildung, so dass seine Nachbarn, als er zu lehren begann, sich wunderten, wie einer ein Prophet werden sollte, der die Schule nicht besucht hatte und nur in einem niedrigen Handwerk ausgebildet war. Er war bekannt als der Verwandte und Freund armer Leute; so dass die Welt auf sie zeigte, als er selbst an die Öffentlichkeit trat, wie wenn die Niedrigkeit ihres Standes die Widerlegung seiner Ansprüche wäre. Er wuchs auf in einer Stadt von schlechtem Ruf, so dass sogar die Besseren zweifelten, ob etwas Gutes aus ihr kommen könne. Nein, er wollte dieser Welt weder Behaglichkeit noch Hilfe nach Ansehen verdanken: denn „die Welt ist durch ihn gemacht worden, aber die Welt hat ihn nicht erkannt“ (Joh 1,10). Er kam zu ihr als Wohltäter, nicht als Gast; nicht um von ihr zu borgen, sondern um sie zu beschenken.

Heiligkeit, notwendig zur künftigen Seligkeit

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1. Predigt vom August 1826

„Heiligkeit, ohne welche niemand Gott schauen wird“ (Hebr 12, 14).

In diesem Text geruhte der Heilige Geist, mit wenig Worten eine Grundwahrheit der Religion zum Ausdruck zu bringen. Gerade dieser Umstand macht ihn besonders eindrucksvoll; ist doch die Wahrheit an und für sich in dieser und jener Form überall in der Heiligen Schrift ausgesprochen. Immer wieder wird uns gesagt, daß unser Herr bei der Menschwerdung nur ein großes Ziel im Auge hatte: die sündigen Geschöpfe zu heiligen. Somit kann auch nur der Heilige am Jüngsten Tag um Seinetwillen Aufnahme finden.

Gedanken von Kardinal Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) über John Henry Newman

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Newman hat in der Idee der Entwicklung die eigene Erfahrung einer nie abgeschlossenen Bekehrung ausgelegt und uns darin nicht nur den Weg der christlichen Doktrin, sondern den des christlichen Lebens interpretiert. Das Kennzeichen des großen Lehrers in der Kirche scheint mir zu sein, dass er nicht nur durch sein Denken und Reden lehrt, sondern mit seinem Leben, weil Denken und Leben sich in ihm gegenseitig durchdringen und bestimmen. Wenn es so ist, dann gehört Newman zu den großen Lehrern der Kirche, weil er zugleich unser Herz berührt und unser Denken erleuchtet.

Newman gehört zu den großen Lehrern der Kirche

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Vortrag von Joseph Kardinal Ratzinger (Papst Benedikt XVI.)
Am 15. Mai 1879 hat Papst Leo XIII. den berühmten englischen Theologen John Henry Newman zum Kardinal erhoben und so dessen außergewöhnliche Verdienste für die Kirche in England und weit darüber hinaus gewürdigt. Zum Gedenken an dieses Ereignis veröffentlichen wir eine Ansprache, in der Kardinal Joseph Ratzinger – jetzt Papst Benedikt XVI. – seinen persönlichen Zugang zu Newman dargelegt und die Bedeutung dieses großen Lehrers der Kirche für unsere Zeit unterstrichen hat.

Der Unendliche allein kann das Maß des menschlichen Herzens sein.

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Der Unendliche allein kann das Maß des menschlichen Herzens sein. Er allein kann diesem geheimnisvollen Gewoge der Gefühle und Gedanken in unserem Innern ihre Beziehung geben. „Kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alles liegt bloß und offen vor dem Auge dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen“ (Hebr, 4,13).